Computer? -> Schicksal
6. Jul, 2008 @ 14.56 Uhr

Mein Schicksal ist es anscheinend, Tag für Tag vor dem Computer zu sitzen und irgendwas in die Tastatur zu hacken. Sei es eine Programmiersprache, Konfigurationsdateien oder Chatzeilen. Der Preis den ich bezahle, ist hoch. Ich sitze vorwiegend, nehme zu, treffe mich selten mit Freunden, lerne absolut keine neuen Menschen mehr kennen. Keiner kann verstehen, wie man nach einem Arbeitstag, an dem am Monitor gesessen hat, erschöpft sein kann. Doch das ist mein Schicksal. Ich versuche mal zu erklären, wie das angefangen hat und warum es so gekommen ist, wie es jetzt ist. Achtung, ist was länger 😉

Technik hat mich schon immer interessiert. Ich war wahrscheinlich sieben oder acht Jahre alt, als ich das erste mal mit Computern zusammenstieß. Es war in der 2. Klasse des expirementellen Projekts am russischen Gymnasium in Lettland. Die Kisten waren einfache Terminals mit 12″-S/W-Monitoren. Ein altes russisches Fabrikat. Ab da begann mein Schicksal, glaube ich.

Mit 10 Jahren wünschte ich mir, bereits hier in Deutschland, nicht mehr als eine Super Nintendo Konsole. Der Freundeskreis meiner Eltern hat aber beschlossen, dass es sinnvoller und facettenreicher wäre, wenn ich einen Computer bekäme. So kam der C64 in meinen Besitz. Zunächst spielte ich alle mitgelieferten Spiele auf 5,25″-Disketten. Alles Raubkopien, ca. 50 Stück. Aber schon bald interessierte mich, wie man die Kiste programmieren konnte, denn als ich das geschenkt bekam, fiel dieses Wort. Zunächst tippte ich Quellcodes auf Magazinen ab, die ich in der Stadtbücherei fand. Bei Conrad Electronic gabs noch ein Buch zum C64. Es war gerade das Jahr 1994 und somit eine Seltenheit. Aber auch die Quellcodes aus diesem 250 Seiten starken Buch tippte ich ab. Ich glaube, es war wieder der Beginn eines Schicksalweges.

Ganz schlimm wurde die Sache, als mir ein Schüler meiner Mutter einen ausgedienten 286er schenkte. Das war mein erster PC. Wow, das war vielleicht was. Er war riesengroß von außen, aber schon zu damaligen Zeiten recht schwach auf der Brust. Drinnen schlug ein 10MhZ-Prozessor, der seine Daten im 1 MB-Arbeitsspeicher aufbewahrte, bevor er sie auf die 20 MB Festplatte speicherte. Das war mir aber egal. Denn es war ein PC. Ich konnte ab diesem Zeitpunkt auf dem Schulhof Disketten mit Spielen tauschen und recht bequem Texte tippen und und und…

Zu Weihnachten 1995 war es soweit. Ich bekam 5 Disketten mit Borland C++ 6.0 for DOS geschenkt, nachdem ich mich bereits über ein Jahr lang mit den Tücken des QBasic (kleiner Bruder von QuickBasic) abmühte. Man konnte dort zwar Anwendungen schreiben, aber keine EXE-Dateien erzeugen und somit nur recht amateurhaft weitergeben. Ein damaliger Anruf bei Microsoft mit der Frage, ob man noch QuickBasic kaufen könnte, wurde mit Schmunzeln verneint. Stattdessen gab es Visual Basic 3.0 als Alternative, aber nur für Windows. Hatte ich damals nicht, also Pustekuchen. Zurück zum Thema C++. Ich glaube, dass so ziemlich der Zeitpunkt war, an dem mich meine Mutter nicht mehr häufig gesehen hat, obwohl ich lediglich 15 Meter weiter saß. Beim Essen habe ich eh nur noch unverständlichen Kauderwelsch geredet, das konnte ich recht leicht an der verzweifelten Miene meiner Mutter sehen. Ab diesem Zeitpunkt hat mich das Schicksal auch programmiertechnisch gebrandmarkt.

Zu meinem 13. Geburtstag bekam ich einen neuen PC, den man ernsthaft aufrüsten konnte, denn er hatte schon zwei PCI-Anschlüsse. Zunächst kam da ein 4X CD-ROM-Laufwerk rein und anschließend versuchte ich 16MB-Arbeitsspeicher nachzurüsten. Die Folge war eine Reparatur. Mein erstes teueres Misslingen. So fing es an, dass der Rechner von Zeit zu Zeit aufgerüstet wurde, wobei das Gehäuse immer gleich blieb. Diese Aktionen fanden ihr jähes Ende, als der PC im November 2000 in Krakau geklaut wurde, samt der am Vorabend angefertigen CD. Den nächsten PC stellte ich mir persönlich zusammen, ließ diesen aber doch noch bei ATELCO zusammenbauen. Hier find meine hardwarebasierte Schicksalslaufbahn an.

Im September 1997 habe ich es endlich geschafft. Nach langem Zureden und Schwärmen, konnte ich meine Eltern überzeugen, mir einen von diesen modernen Internetanschlüssen zulegen zu dürfen. Ich meine, meine Eltern wussten eh nicht wirklich was es ist, außer dass es dort ganz böse Menschen, ganz viel Pornos gab und das was die Medien sonst so darüber berichteten. Gut, jetzt im Nachhinein muss ich sagen, dass es stimmte ;-). Ich kaufte über den Zugang eines Freundes ein 33.6KBit-Modem von einem Privatverkäufer aus den Kleinanzeigenseiten von VOBIS. Den Anschluss gab es von „Online Club“, einem Ableger der Rheinischen Post. Die Clubmitgliedschaft kostete 19,99 DM pro Monat und zusätzlich kamen nur noch Telefonkosten dazu. Das war zu dem Zeitpunkt unheimlich günstig, verlangten doch AOL oder CompuServe bis zu 4$/Stunde. Ich durfte jeden Tag exakt 60 Minuten surfen und dies höchstens ab 21 Uhr, weil davor die Ortsgebühren blöde teuer waren. Ab 21 Uhr wollte die Telekom für ein Ortsgespräch nur 1,80 DM / Stunde. Gut, damals hat mir die Stunde ausgereicht, denn es gab in Deutschland ja weder EBay, noch YouTube, noch Amazon – Google war auch noch nicht erfunden. Ich stellte meine eigene Seite, sie beschäftigte sich mit Witzen, im Dezember 1997 online und dann mit allen Klischees, wie animierten Baustellengrafiken und einem Counter. Die Seite sieht aus der heutigen Betrachtungsweise sehr amateurhaft aus, aber damals waren alle Seiten so. Selbst Microsoft hat sich für seine Webseite lange nicht mit Ruhm bekleckert. So fing die Zeit an, als ich mich in IRC-Chats, Newsgroups und kuriosen Seiten aufhielt und noch weniger in die reale Welt integriert war. Das Schicksal bahnte vertiefte seinen Weg.

Das alles waren die Anfänge. Später ging es stets eine Stufe weiter herauf. Neben dem PC entwickelte ich nach der Jahrtausendwende noch andere Hobbies. Fotografieren und Filmen waren ganz vorne mit dabei. Doch das Flussbett des Schicksals war zu tief.

Ende 2001 versuchte ich verzweifelt eine Betriebspraktikumsstelle in einer Zeitungsredaktion oder einer Werbeagentur zu bekommen. Nirgends waren stellen zu bekommen. Dann rief ich ein Mal bei einem Hardwareeinzelhändler an – zack hatte ich die Stelle. Auch nach dem Praktikum arbeitete ich jeden Tag nach der Schule dort, stellte Rechner zusammen und reparierte nicht funktionstüchtige Maschinen. Also nichts mit Design…

Am Ende der Oberstufe, kurz vor dem Schulabschluss, suchte ich nach einer Ausbildungsstelle als Fotograf. In ganz NRW gab es nur 14 gemeldete Stellen, allesamt weit verstreut. Das war mir egal. Ich bewarb mich überall von Bonn bis Bielefeld. Es war alles nichts. Das erste Bewerbungsgespräch in Wuppertal, das andere an der FH Dortmund und stets der ewige Zweite. Total verzweifelt verschickte einen Haufen Bewerbungen per Mail, in denen ich mich als Fachinformatiker teilweise der Anwendungsentwickluing, teilweise der Systemintegration bewarb. Die allerste Bewerbung ging an die Telekom. Danach folgten ca. 40 weitere an andere Firmen, u.a. an Siemens. Die alteingesessenen Assessmentherren und -damen teilten mir direkt im Anschluss ans Bewerbungsgespräch mit, dass eher künstlerisch, als technisch begabt wäre und meinen Weg lieber Richtung Kunstakademie einschlagen sollte. o_O Kein Kommentar.
Letztendlich fand ich meinen Ausbildungsplatz bei der Telekom. Im Gespräch fragt man mich, ob ich nun Systemintegrator oder Anwendungsentwickler werden will. Es war eine Gefühlsentscheidung, denn es war mir aus den oben beschriebenen Tatsachen gleich. Ich wurde Systemintegrator. Also nichts mit Fotografie…

Nach der Ausbildung bewarb ich mich überall in der Informationstechnologiewelt. Ich wäre beinahe Spieledesigner in Karlsruhe geworden. Die Bedingungen genügten meinen Ansprüchen nicht.
Ein mysteriöser Anruf von glu mobile aus Kanada hätte mich fast zum technischen Supporter beim Handyspieleentwickler #2 in Köln gemacht. Letztendlich hat mich das hin und her viele Nerven, einen Job in München und meiner guten Meinung über Kanadier gekostet. Denn glu mobile stellte kurz vor meiner Einstellung fest, dass sie überhaupt kein Geld für einen Mitarbeiter in Köln haben.
Die Managerin in Köln gab meine Bewerbungsmappe anscheinend an einen Mitbewerber weiter. Im August 2008 hatte ich eine tatsächliche Chance den gleichen Job in Köln zu machen. Ich habe mich gegen dieses Jobangebot entschieden, weil es a) zu wenig Geld gab und b) weil ich gerade einen Job angenommen habe und noch nicht wusste, wie schlimm er werden würde.

Jetzt bin ich nach einem Umweg über eine Wuppertaler Eventagentur mit ausbeuterischen Weltvorstellung, doch bei netzquadrat in Düsseldorf gelandet. Als Anwendungsentwickler entwickele ich Tag für Tag Webfrontends und teilweise Backends für eine bessere Internetwelt. Dieser Job, aber vor allem die Arbeitsbedingungen, ein lockerer Chef und freundliche Mitarbeiter sorgen dafür, dass ich regelmässig glücklich bin.

Man sieht jedoch an dem ganzen Vorangehenden, dass es einfach so was wie Schicksal geben muss, welches einen einfach nicht rausläßt aus dem was man ein Mal angefangen hat.

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  • (C) by Michael Rotmanov